OLG Brandenburg, 22.06.2020 – 9 UF 254/19 * Beweis einer verfestigten Lebensgemeinschaft durch Detektiv
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FamRZ 2020, 1998§§ 1361 III, 1579 Nr. 2 BGB: Beweis einer verfestigten Lebensgemeinschaft durch Detektiv [LSe m. Anm. d. Red.]Nr. 933 OLG Brandenburg – BGB §§ 1361 III, 1579 Nr. 2 (1. FamS, Beschluss v. 23.6.2020 – 9 UF 254/19)1. Zu den – nicht angenommenen – Voraussetzungen einer verfestigten Lebensgemeinschaft i. S. des § 1579 Nr. 2 BGB, wenn die Trennungsunterhalt begehrende Ehefrau mit dem neuen Lebenspartner keine Wohngemeinschaft eingegangen ist, mit ihm aber eine gemeinsame Städtereise unternommen sowie einen Urlaub verbracht hat.2. Zur Berücksichtigung von Ermittlungen eines Detektivs, der von dem auf Unterhalt in Anspruch …
AG Eberswalde, 22.10.2019 – 3 F 393/18OLG Brandenburg, 22.06.2020 – 9 UF 254/19
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Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB kann angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Es kommt darauf an, ob die Partner ihre Lebensgemeinschaft so aufeinander eingestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander einstehen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren und damit das Zusammenleben ähnlich gestalten wie Ehegatten (Palandt, BGB, 78. Aufl., § 1579 Rdnr. 11). Entscheidend ist darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte sich durch eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt (BGH FamRZ 2011, 1498 – Rdnr. 27 bei juris; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 4 Rdnr. 1269). Die Vorschrift knüpft an rein objektive Gegebenheiten an und ist keine Sanktion für vorwerfbares Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten.
Vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer wird sich in der Regel nicht verlässlich beurteilen lassen, ob die Partner nur „probeweise“ zusammenleben oder ob sie auf Dauer in einer gefestigten Gemeinschaft leben. Je fester allerdings die Verbindung nach außen in Erscheinung tritt, umso kürzer wird die erforderliche Zeitspanne anzunehmen sein. Der BGH hat es gebilligt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von § 1579 Nr. 2 BGB erst nach einer Dauer von regelmäßig zwei bis drei Jahren angenommen werden können. Die Zeitspanne kann kürzer sein, wenn aufgrund besonderer Umstände schon früher auf eine hinreichende Verfestigung geschlossen werden kann, insbesondere bei einer bereits umgesetzten gemeinsamen Lebensplanung, z.B. in Form von gemeinsamen erheblichen Investitionen (BGH a.a.O., Palandt, a.a.O., § 1579 Rdnr. 12). Bei einer Beziehung, die nicht überwiegend durch ein Zusammenwohnen und auch nicht durch ein gemeinsames Wirtschaften geprägt ist, ist eine verfestigte Beziehung etwa dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit, bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten und Feiertage und Familienfeste zusammen mit Familienangehörigen verbringen (OLG Karlsruhe FamRZ 2020, 93 – Rdnr. 89 bei juris).
Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des jeweiligen Härtegrundes nach § 1579 Nr. 2 bis 8 BGB sowie für alle Umstände, die die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme als grob unbillig erscheinen lassen, trägt der Unterhaltspflichtige. Zulässig kann dabei auch die Beobachtung durch einen Detektiv und die Verwertung der in dieser Weise gewonnenen Erkenntnisse im Verfahren sein (BGH FamRZ 2013, 1387; Wendl/Dose, a.a.O., § 4 Rdnr. 1214).
b)
Im konkreten Fall bietet das Vorbringen des Antragsgegners keine hinreichend tragfähigen Anknüpfungstatsachen dafür, dass die Antragstellerin die eheliche Lebensgemeinschaft durch eine bis heute hinreichend verfestigte Lebenspartnerschaft im vorbeschriebenen Sinne ersetzt hat.
Die – nicht unter Beweis gestellte – Behauptung des Antragsgegners, die Antragstellerin sei im Frühherbst 2017 einseitig aus der – aus seiner Sicht offenbar intakten, jedenfalls nicht gescheiterten – Ehe ausgebrochen und habe sich D… R… zugewandt, der auch der Grund für die Trennung gewesen sei, ist entgegen der Darstellung des Antragsgegners in seinem jüngsten Schriftsatz vom 25. Mai 2020 nicht unbestritten geblieben. Die Antragstellerin hatte vielmehr bereits in ihren Schriftsätzen vom 13. Mai 2019 und 4. Juni 2019 ausgeführt, sie habe sich „aufgrund qualitativ und quantitativ zunehmender häuslicher Gewalt, die auch Polizeieinsätze zur Folge hatten“ vom Antragsgegner getrennt; „ein anderer Mann hatte mit den Umständen und der Trennung und der Motivation der Antragstellerin, sich von dem Antragsgegner zu trennen, nichts zu tun.“
Es kann danach gerade nicht festgestellt werden, dass ein/der neue/r Partner der Antragstellerin Trennungsgrund gewesen ist. Die Argumentation des Antragsgegners fußt deshalb schlicht auf einer unzutreffenden Prämisse.
Unbestritten ist eine gemeinsame Städtereise der Antragstellerin mit D… R… nach A… im April 2018 und ein gemeinsamer Urlaub in B… (…) im Juni 2018, also mehr als ein halbes Jahr nach der Trennung. Gemeinsame Reisen lassen jedoch schon grundsätzlich noch keinen hinreichend tragfähigen Schluss auf eine (verfestigte) Lebenspartnerschaft zu. Kaum anderes gilt für die vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 3. Mai 2019 in Bezug genommenen Fotos, die die Antragstellerin von sich und diesem Mann auf Facebook eingestellt hat. Diese zeigen zwar auch eine für eine bloße Bekanntschaft oder Freundschaft eher nicht zu erwartende sehr vertraut und innig wirkende Umarmung, die sich allerdings zeitlich nicht einordnen, also jedenfalls nicht sicher vor Mai 2019 datieren lassen.
Auch die von dem vom Antragsgegner beauftragten Detektivbüro im täglichen Beobachtungszeitraum vom 13. bis 21. September 2019 gewonnenen und unbestritten gebliebenen Erkenntnisse (Bl. 185 f. GA) bieten keinerlei tragfähige Hinweise auf eine seit entsprechend langer Zeit bestehende und inzwischen verfestigte Lebenspartnerschaft der Antragstellerin.
Am 19. September 2019 hat danach die Antragstellerin auf Klingeln des Detektivs die Wohnungstür geöffnet; weitere Personen konnten in der Wohnung nicht festgestellt werden; ebenso wenig war Herrenkonfektion festzustellen; lediglich ein Paar dunkelbraune Herrensportschuhe haben vor der Wohnungstür gestanden. In der Umgebung des Hauses habe an den meisten Tagen des Beobachtungszeitraums allerdings ein auf „den R. mit der Anschrift … J…, …straße …“ zugelassener Pkw … mit dem amtlichen Kennzeichen … gestanden. Am 20. September 2019 gegen 17.30 Uhr hat der Detektiv den R. beobachtet, wie er den Hund der Antragstellerin in einem Waldstück ausführte; zu diesem Zeitpunkt standen vor der Wohnungstür der Antragstellerin hausschuhähnliche Latschen. Dem Detektiv ist an diesem Tag ferner durch einen – nicht namhaft gemachten – Mitbewohner des Mietshauses, in dem die Antragstellerin lebt, bekannt geworden, „dass R schon seit einiger Zeit, genauer gesagt, seit Wochen bei der B. in deren Wohnung wohnt“.
Selbst wenn man unterstellt, dass der in dem vorzitierten Detektivbericht gerade nicht namhaft gemachte „R.“ der Herr D… R… ist, in deren Begleitung die Antragstellerin im Jahr 2018 verreist ist, hat der Detektiv entgegen der Darstellung des Antragsgegners im Schriftsatz vom 24. September 2019 aus eigener Beobachtung nicht festgestellt, dass dieser „regelmäßig“ mit dem Hund der Antragstellerin geht, die „regelmäßig“ vor der Wohnungstür der Antragstellerin stehenden braunen Sportschuhe „offensichtlich“ diesem Mann gehören und die Antragstellerin mit dem Herrn D… R… „eine intensive und dauerhafte Lebensbeziehung führt“. Der Detektiv selbst hat R. überhaupt nur einmal in einem örtlichen und sachlichen Zusammenhang zur Antragstellerin wahrgenommen (nämlich am 20. September 2019 beim Ausführen deren Hundes); gemeinsam beobachtet hat er beide überhaupt nicht. Ein nicht tragfähig begründeter pauschaler Hinweis eines nicht namentlich benannten Hausbewohners auf ein seit mehreren Wochen oder Monaten anhaltendes gemeinsames Wohnen des R. in der Wohnung der Antragstellerin (das der Detektiv aus eigener Wahrnehmung gerade nicht bestätigen konnte) entbehrt schon für sich betrachtet einer hinreichenden Substanz.
Bestenfalls kann aus diesen im Einzelnen tatsächlich unbestritten gebliebenen, aber insgesamt eher dürftigen Indizien abgeleitet werden, dass die Antragstellerin und D… R… seit dem Frühjahr 2018 eine jedenfalls freundschaftlich geprägte Beziehung pflegen, die sich intensiviert und im Sommer 2019 dazu geführt hat, dass man gemeinsam wohnt, wobei nicht einmal auszuschließen ist, dass D… R… nicht weiterhin einen Wohnsitz in M… unterhält. Das trägt aber nach den vorstehenden Grundsätzen noch nicht die Feststellung einer inzwischen soweit verfestigten Lebenspartnerschaft, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt bereits jetzt herabzusetzen oder gar insgesamt zu versagen wäre.
Besondere Umstände des Streitfalles, die abweichend vom Regelfall eine Mindestdauer von mindestens zwei bis drei Jahren entbehrlich erscheinen ließen, liegen nicht vor. Es gibt keinerlei tragfähige Hinweise auf ein seit längerem festzustellendes Auftreten als Paar in der Öffentlichkeit oder die Begründung erheblicher gemeinsamer finanzieller Verpflichtungen, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Antragstellerin lebe in einer hinreichend gefestigten, auf gegenseitiger Unterstützung gründenden und von einem Einstehen füreinander geprägten eheähnlich gestalteten Lebenspartnerschaft….